Trend im Seniorensport
Gehfußball - laufen verboten
Laufen verboten! Kicken wie die Jungen, aber viel entspannter. Fußball im Gehen ist ein Trend im Seniorensport.
Die wichtigste Regel beim Gehfußball lautet: Laufen verboten!
Wie bitte, Fußball ohne Rennen? Das ist schwer vorstellbar, aber voll im Trend. Die Sportart ist 2011 als „Walking Football“ in England entstanden und dort schnell populär geworden. Mittlerweile begeistern sich Ballfreunde weltweit dafür. Weil das Tempo moderat bleibt, der Ball nur hüfthoch geschossen werden darf und Zweikämpfe tabu sind, eignet sich Walking Football perfekt für Ältere, bei denen Gelenke, Herz und Lunge nicht mehr so belastbar sind. Eine Spielzeit dauert nicht 45, sondern nur zehn Minuten. Dafür reicht die Kondition allemal aus.
Am Ball trotz Kunstgelenk
In den letzten Jahren haben viele Sportvereine eigene Walking-Football-Teams gegründet. Der SV Werder Bremen ist einer davon. Die „Oold Steerns“, wie sich hier die Gehfußballer nennen, treffen sich jeden Montagmittag zum Training. Fast alle haben irgendein Gesundheitsproblem. Künstliche Gelenke, Prothesen, Herzschrittmacher sind hier kein Hinderungsgrund, im Gegenteil: „Das reinste Ersatzteillager“, scherzt Trainer Kalle, der mit seinen 70 Jahren ziemlich genau im Altersdurchschnitt seines Teams liegt. Viele haben über Rehasportgruppen, die Werder Bremen in seiner 60-plus-Abteilung anbietet, den Weg hierher gefunden. Die Freude am Fußballspielen trüben weder Alter noch Handicaps. Fußball hat Heino, wie viele hier, schon früher gespielt. Jetzt bevorzugt er die „entschärfte“ Variante im Gehen: „Ich muss keine Angst haben, mich zu verletzen, man wird weder umgerannt noch weggegrätscht.“
Gemischte Mannschaften aus Frauen und Männern
Weil es im Gehfußball weniger körperlich zur Sache geht, sind vielerorts auch gemischte Mannschaften aus Frauen und Männern üblich. Bei Werder sind die Damen zwar weit in der Unterzahl, aber trotzdem voll integriert. Sylvia, 67 Jahre jung, dribbelt den einen oder anderen Mann gekonnt aus und ist stets torgefährlich. Kein Wunder, sie war bis vor wenigen Jahren noch aktive Fußballerin. „Mich juckt’s schon immer sehr in den Füßen, das Gehen fällt mir recht schwer“, gibt sie zu. Wie viele andere hatte sie von Walking Football noch nie gehört, bevor sie es selbst ausprobierte. Bei der Erinnerung muss sie lachen: „Ich dachte, man spielt da mit Stöcken.“ Teamkollegin Ursula gehört zu den Gründungsmitgliedern. Dabei hatte sie bis zum ersten Probetraining noch nie einen Ball am Fuß.
Perfekt um im Alter auch geistig fit zu bleiben
Für Dieter war das Stadion an der Weser schon in der Jugend eine zweite Heimat. „Ich hatte damals die größte Fan-Fahne von allen“, erzählt er. Fünfeinhalb Meter lang und fast drei Meter hoch war die Stoffbahn, befestigt an einer Rute aus dem Angelgeschäft. Damit es für die Rekordgröße reichte, „musste die Oma extra noch was dranflicken“. Heute assistiert auch er Kalle beim Balltraining, lässt Schusstechniken und Koordination üben. „Das fordert nicht nur die Füße, sondern auch den Kopf“, erklärt er. Perfekt also, um im Alter auch geistig fit zu bleiben.
Neue Fußball-Variante 3F: Gut fürs Herz
Eine neue Fußball-Variante verspricht noch mehr Benefits: 3F. Die Abkürzung steht für Fit und Fun mit Fußball. Entwickelt wurde sie von einem Team aus Kardiologen und Sportwissenschaftlern der Uniklinik für Kardiologie am Klinikum Oldenburg und dem Institut für Hypertonie und Herz-Kreislaufforschung, Cloppenburg. Die Schirmherrschaft hat Fußballlegende Paul Breitner übernommen.
Gespielt wird auf einem 25 mal 32 Meter großen Feld mit vier kleinen Toren. Torschüsse sind nur in bestimmten Zonen erlaubt. Gefährliche Interaktionen wie Zweikämpfe, Weitschüsse oder Kopfbälle sind verboten. Freistöße werden indirekt ausgeführt und Ballgewinne durch abgefangene Pässe erzielt. Koordinations- und Kognitionsübungen sollen die Konzentrationsfähigkeit und Achtsamkeit stärken, Aufwärm- und Dehnübungen das Verletzungsrisiko klein halten.
Eine Studie mit Bluthochdruck-Patienten und Menschen mit Herzer-krankungen haben gezeigt: Bei den Teilnehmenden verbesserten sich über einen Zeitraum von einem Jahr die Blutdruckwerte und das Körpergewicht spürbar. Auch half das Training, Stress und Depressionen zu reduzieren. Bei älteren Teilnehmenden war zudem das Risiko im Alltag zu stürzen geringer. Bei vielen konnte sogar die Gabe von Herzmedikamenten reduziert werden.
Eberhard, 84, ist der Älteste auf dem Platz. Nach der ersten Spielrunde, die seine Mannschaft mit 1 : 0 gewinnt, gönnt sich der Kapitän der „Oold Steerns“ eine kleine Verschnaufpause. Von seiner Parkinson-Erkrankung ist im Spiel nichts zu merken. Im Alltag machen ihm gelegentlich plötzliche Bewegungsblockaden zu schaffen. „Hier passiert das nie“, freut er sich. „Wenn ich mit den Mitspielern und dem Ball zugange bin, dann geht alles.“
Unter Leuten: Zum Ausklang noch ein bisschen schnacken
Nach Abpfiff des letzten Spiels trifft er sich mit den Mitspielern noch im nahe gelegenen Café zum gemütlichen Ausklang: „Kaffee, Kuchen und ein bisschen schnacken.“ Am Tisch sitzen Architekten und Bauingenieure gemeinsam mit Handwerkern, Polizisten und Künstlern. Sie alle eint, Teil einer Mannschaft zu sein. Neu in der Runde ist Klaus. Zweimal hat er beim Training zugeschaut, heute war er zum ersten Mal aktiv dabei. Knie und Hüfte, bereits mehrfach operiert, haben mitgemacht. „Laufen klappt mit dem Gelenkersatz nicht mehr“, sagt er. „Aber im Gehen bin ich mit ordentlich Tempo unterwegs.“
Quelle: Apotheken Umschau - 17.06.2024